Korrigieren fällt immer schwer

Sie schreiben gerne, manchmal auch recht ausführliche Texte? Ist dann eine Frage ganz diskret erlaubt? – Wie viel Zeit vergeht, bis Sie Ihre Texte erstmals ein zweites Mal lesen? Tage, Wochen, Monate? – Und wie fühlen Sie sich dabei?

Wenn ich eigene Texte nach Monaten nochmals lese, ist mir stets klar: Ich würde das alles ganz anders schreiben. Nicht wegen der Fehler, aber wegen des Stils, des Aufbaus, der Aussagen. Ein Sachtext ist eine Momentaufnahme. Schon Stunden später gibt es neue Erkenntnisse, würde man manches anders formulieren. Das muss nicht bedeuten, dass der ursprüngliche Text fehlerhaft oder falsch gewesen wäre. Sachtexte überholen sich schnell und gerade Autoren passiert es, dass sie an einem Thema sind und dadurch hellhörig werden für dieses Sachgebiet und mit der Nase ständig auf neue Quellen stoßen, bewusst oder unbewusst, zufällig oder gezielt. Aber nur so entwickelt sich Expertentum, durch die intensive Beschäftigung mit einer bestimmten Thematik über längere Zeit.

Den eigenen Text lesen sehr wenige Autoren gleich nach dem Verfassen noch einmal gegen. Das fällt schwer und manche Urheber wissen genau: Wenn ich das alles jetzt noch einmal lese, komme ich bestimmt zu dem Punkt, dass ich alles neu und ganz anders aufbauen und formulieren möchte. Doch das muss jeder Schreiber einkalkulieren. Eine Textkorrektur ist oft mühsamer als das Erstellen der Rohfassung.

Korrekturlesen ist nicht nur das Verbessern von Fehlern. Viele Momente gehören dazu, einen perfekten Text fertig zu stellen: Rechtschreibung, Grammatik, Stil, Aussage, Anspruch, Ansporn. Und wie gelingt eine Korrektur am besten? Der Eine ist der Typ, der Änderungen gerne am Bildschirm vornimmt, die Andere davon überzeugt, das auf Papier vornehmen zu müssen. Jeder muss hier seinen Weg finden.

Sprachpapst Wolf Schneider hat beide Korrekturwege verglichen und auch noch die klassische Schreibmaschine und die Handschrift daneben gestellt. Er findet, dass – je technischer die Grundlage des Textes war – der Autor vor umfangreichen Verbesserungen und dem Neuaufbau zurückschreckt. In seinem Buch „Der vierstöckige Hausbesitzer“ hält er Korrekturen mit Kuli auf dem Ausdruck auf Papier noch besser als jene am Bildschirm. „Ein überflüssiges Wort zu streichen geht zwar auf dem Computer viel schneller als auf der (Schreib-)Maschine, aber umständlicher als mit dem Kugelschreiber ist es schon; also bleibt manches stehen, worüber der Redaktor sich nur ein bisschen ärgert.“ Das Schriftbild am Bildschirm erscheint makellos und hemmt viele davor, diese scheinbare Perfektion aufs Spiel zu setzen. Dennoch, ich empfehle Ihnen: Machen Sie es! Stellen Sie fest, mit welcher Korrekturmethode Sie die meisten Schnitzer beheben und nutzen diese, – immer!