Gilt der Pressecodex noch?

In verschiedenen Internetforen wird gerne behauptet, der Pressecodex gelte nicht mehr. Dem habe ich oft widersprochen und kann gerne belegen, welche Fälle auch heute noch nicht konform mit dem Pressecodex sind.

Zunächst aber müssen wir klären: Was ist eigentlich der Pressecodex? Wikipedia gibt Auskunft darüber unter http://de.wikipedia.org/wiki/Pressekodex. Eingeführt wurde der Codex 1973 vom Deutschen Presserat, seither mehrfach aktualisiert, zuletzt 2009 in einer Version, die auch für den Online-Journalismus gilt.

Der Presserat ist ein Gremium, in das Verlegerverbände und die Journalistengewerkschaften die Mitglieder nominieren und entsenden.

Über die Arbeit des Presserates – und meist sind es Rügen an unterschiedliche Medien – kann man in Medienmagazinen und auf Medienseiten der Presse mehr erfahren. Was dem Presserat jüngst aufgefallen ist und rügenswert fand, macht am eindruckvollsten deutlich, was nach Pressecodex nicht in den Medien auftauchen sollte.

Unter den sechs aktuell gerügten Artikeln fallen zunächst zwei ins Auge, die Suizide zum Thema hatten, – einmal in einer Tageszeitung, einmal in einer poppigen Jugendpostille. Beide Berichte hielten sich in ihren Beschreibungen nicht so zurück, wie es üblich ist. Bei Selbstmorden und Suizidversuchen ist erwiesen, dass Artikel dazu immer wieder Nachahmer finden. Im Fall des Fußballtorwarts Robert Enke und seiner Selbsttötung, die die Medien nicht verschweigen konnten, gab es eine größere Zahl von Nachahmern. Daher leuchtet ein, warum die Medien sich hier eine Selbstbeschränkung auferlegen.

Persönlichkeitsrechte sind auch noch bei Straftaten schützenswert, etwa bei Familiendramen. Hier dürfen nach Pressecodex keine Namen genannt und keine Fotos der Betroffenen gezeigt werden. In Veröffentlichungen darf keine Person erkennbar sein, was oft nicht zutrifft und man mit ein wenig detektivischem Sinn herausbekommen kann, um wen es sich handelt. Zwei Online-Magazine von Tageszeitungen hatten Namen genannt und in einem Fall war auch das Tatgebäude abgebildet und ein Straßennamensschlid.

Dann ging es – wie häufig – um die nicht vorhandene Trennung von Berichten und Werbung. Auch hier wurden zwei Fälle gerügt. Einmal traf es eine Fernsehzeitung, die einen medizinischen Bericht nicht als Werbung kennzeichnete, so dass er mit redaktionellen Beiträgen verwechselt werden kann, – zum anderen ein Sportheft, wo Markenzeichen in Fotos eingeklinkt wurden.

Jeder kann den Presserat anrufen. In jeder Sitzungsperiode wird eine dreistellige Anzahl von Auffälligkeiten abgehandelt, am Ende aber nur wie aktuell sechs gerügt und knapp 30 Missbilligungen und Hinweise ausgesprochen. Das bedeutet, dass nicht jeder vermeintliche Verstoß gegen den Pressecodex zur Rüge führt, – aber im Prinzip kann es jedes gemeldete Presseorgan treffen und für einen Vertrauensschaden bei den Lesern führen. Das ist so auch gut so.