Familienbande

Unsere Familienbezeichnungen und geschlechtsspezifische Anreden haben lange und sehr eigenwillige Geschichten. So ist die Bezeichnung Dame in Mitteleuropa wesentlich jünger als die der Frau. Zu letzterer gab es bereits im Altmittelhochdeutschen den Begriff „frouwe“ und im Mittelhochdeutschen „vrouw“, aus dem sich die „Frau“ ableitet. Im Germanischen hat sich das vom Götternamen Freyja abgeleitet. Erst ab 1600 etwa kam der Begriff der „Dame“ aus dem Französischen auf und ersetzte im 18. Jahrhundert allmählich die frühere Bezeichnung. „Frauen“ und „Männer“ lauteten die Aufschriften an Toilettentüren und Umkleiden noch bis in die frühen 50er Jahre des 20. Jahrhunderts. Danach stand da „Damen“ und „Herren“.

Das Fräulein war ab dem 12. Jahrhundert zunächst die Anrede für unverheiratete Edeldamen. Nach und nach wurden alle unverheirateten Frauen so angesprochen, teilweise bis ins hohe Alter, worauf einige Damen tatsächlich Wert gelegt haben. Im Zuge der Frauenbewegung war die Anrede des Fräuleins ab etwa 1968 verpönt, – sie wollten Frauen sein. Schließlich gab es ja auch keine Herrchen, zumindest nicht als Anrede. Heute findet man das Fräulein schon lange nicht mehr auf Formularen und in vorgegebenen Datenfeldern im IT-Bereich und auch als Anrede gilt dies als peinlich.

Viele Familienbezeichnungen stammen aus der so genannten Lall-Sprache der Kinder. So erklären sich auch die unterschiedlichen Namen für Mutter, Mama, Mutti oder Mami sowie Vater, Papa oder Vati. Ähnlich ist auch der Ursprung der Tante, der im Lallwort „Amma“, dem Altfranzösischen „Ante“ und dem Lateinischen „Anita“ für die Vaterschwester. Bei manchen Verwandtschaftsbezeichnungen wurde früher genau darauf geachtet, wie die Verwandtschaftsverhältnisse sind und ob sie über die väterliche oder mütterliche Linie gingen. So war der Oheim der Bruder der Mutter, der Vetter dagegen ursprünglich der Bruder des Vaters. In manchen Sprachen soll auch heute noch so deutlich unterschieden werden.

Manchmal ersetzen französische Bezeichnungen die überlieferten deutschen: Lange Zeit waren die Geschwister zweiten Grades Vetter und Base, heute doch meist Cousin und Cousine. Die komplette Verwandtschaftsfamilie rund um Schwager-Begriff leitet sich vom mittelaltdeutschen Schwäher („Schwiegervater“) ab. Der Schwager war streng genommen nur der Ehemann der Schwester oder der Bruder der Frau, nicht der Mann der Schwägerin. Der Begriff „Schwager“ stand aber früher allgemein für vertraute Nichtverwandte, so im studentischen Umfeld und schließlich als Bezeichnung für den Postillion.

Die Teil- und Patchworkfamilien unserer Zeit erfordert eigentlich auch eigene Bezeichnungen für die neu zusammengewürfelten Familienteile. Mir ist dazu noch nichts geläufig. Oder wissen Sie, wie man den Vater des Stiefvaters nennt oder den Neffen, der Sohn des Onkels aber nicht der Tante ist?